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Türkei Teil 2 (12.05.2009 - 24.05.2009)

veröffentlicht um 19.11.2009, 22:30 von Tobias Pieper   [ aktualisiert: 10.02.2012, 11:25 ]
Wir haben uns schon ein gutes Stück in den Osten der Türkei vorgearbeitet, aber die Türkei ist ja so riesig. Das ist der Wahnsinn. Geografisch befinden wir uns noch immer in West-Anatolien. Ost-Anatolien beginnt erst ab Trabzon.
Die Türkei ist ein absolutes Bergland. Die Schwarzmeerküste ist nicht vergleichbar mir unseren deutschen Küstenregionen, wo man heute schon sieht, wer morgen zum Kaffee vorbei kommt. Hier würde man sowieso nicht zum Kaffee, sondern zum Tee vorbeikommen. Aber egal, die Küste ist eher vergleichbar mit den Alpen und gestern hatten wir das Gefühl, wir sind in Norwegen und fahren an einem Fjord entlang. Es ist auch alles unglaublich grün. Es ist stark bewaldet und Baeren und Wölfe finden hier noch ihr Zuhause. Einmal wurden wir sogar von heulenden Wölfen in der Nacht geweckt. Das war wirklich etwas unheimlich. Aber es tut auch gut zu wissen, dass es doch noch Lebensraeume für die Grosssaeuger gibt.
 
Wir haben schon sehr viele Haselnussplantagen gesehen. Entsprechend viel Nutella bzw. die türkische Variante gibt es zu kaufen. -Sehr lecker!
Die Landschaft besteht neben Wald natürlich sehr viel aus Agrarlandschaft. Jedoch Kleinpartellierter als bei uns. Wobei soetwas ja meist auch Regionsabhaengig ist. Seit Kastamonu wird das üppige Grün jedoch etwas weniger. Es sind viele ausgelichtete Berghaenge zu sehen. Vermutlich wird hier viel abgeholzt und dann erodiert der Boden. Teilweise sieht man, dass ein Erosionsschutz gebaut wird, damit sich die Haenge wiederbewalden können. Auf jeden Fall scheint das Klima nun trockener und steppenartiger zu werden. Die Temperaturen sind mit um die 30 Grad noch ganz ertraeglich. Auf dem Rad hat man immer ganz gut Fahrtwind. Leider ist es meist der Gegenwind, gegen den wir ankaempfen müssen, wenn sich mal keine Berge vor uns auftürmen, die es zu überwinden gilt.
 
Ach, es gibt schon wieder so viel zu erzaehlen. Aber sicherlich habt ihr Ausdauer. 
Ganz allgemain laesst sich zu den Türken sagen, dass sie das bisher gastfreundlichste, grosszügigste und hilfsbereitetste Volk ist, welches wir auf der Reise kennengelernt haben. Es ist gar nicht möglich, alle Begegnungen und Einladungen zu schildern. Aber einiges möchte ich versuchen, mitzuteilen. Wenn wir in ein Dorf fahren, um uns Mittagessen zu kaufen und dann ein Plaetzchen suchen, vergeht fast kein Tag, wo wir nicht von den Menschen dort angesprochen werden, die uns fragen, ob wir einen Tee möchten. Und die Frage ist dann auch immer eine Einladung. Wir durften noch nİe unseren Tee bezahlen. Und das erlebten wir auch schon öfter, wenn wir an einer Tankstelle anhielten, um dort unsere Pause zu verbringen. Kaum haben wir uns gesetzt und unser Essen ausgepackt, kommt schon ein Mitarbeiter und bringt 2 Tee. Es ist immer wieder unfassbar für uns. Aber das ist eigentlich noch das Geringste, was Herzlichkeit angeht. An einem Tag hat es etwas geregnet. Wir waren in unsere Regensachen gehüllt und fuhren so vor uns hin. Es hat nicht lange gedauert, da hielt ein Kleinbus an. Er wollte uns mit unseren nassen, bepackten Raedern mitnehemn. Das Wetter sei doch so unangenehm. Wir lehnten dankend ab und machten ihm klar, dass es für uns kein Problem sei. So nett das auch war, das geht aus Prinzip nicht. Wir wollen mit dem Rad unser Ziel erreichen. Anhalter müssen da leider rausfallen, solange man selber strampeln kann. Es blieb aber nicht bei dem einen Anhalter. Ein weiterer wollte uns mitnehmen. Soviel zur Hilfsbereitschaft.
 
Am naechsten Tag warteten die naechsten für uns Westeuropaerer unbegreıflichen Erlebnisse. Ein Auto wurde plötzlich hinter uns langsamer. Dann überholte es uns und hielt an. Ein Mann stieg aus und fotografierte uns. Wir fanden das zunaechst sehr suspekt. Aber dann stellte sich heraus, dass er Journalist ist. Er konnte zwar kein englisch, aber wir konnten ihm die nötigen Eckdaten vermitteln. Das heisst, wir standen höchstwahrscheinlich in einer türkischen Regionalzeitung. Sein Fahrer war auch ganz angetan, konnte aber auch kaum englisch. 1,5 Stunden spaeter erreichten wir Kastamonu. In der Stadt wollten wir einkaufen und uns ausserhalb der Stadt ein Zeltplaetzchen suchen. Im Stadtzentrum wurden wir aber von dem Fahrer abgefangen. Er wollte uns unbedingt zum Essen einladen. Wir hatten gar keine Wahl. Und schon sassen wir in einem Lokal, bekamen Ayran (türkische gesalzenen Buttermilch) und mit Hackfleisch belegtes dünnes Fladenbrot, dazu Salat. Er organisierte einen Dolmetscher, der englisch konnte. Es blieb dann aber nicht bei der Einladung zum Essen. Er wollte, dass wir in seiner Stadt bleiben, dort übernachten. Es sei sehr wichtig für die Stadt, dass auslaendische Touristen herkommen. Er wollte uns dafür einladen, Geld würde keine Rolle spielen. Wir verstanden irgendwie nur Bahnhof. Es hat eine Weile gedauert, bis er uns überzeugen konnte, dass da kein Haken ist, dass das die türkische Mentalitaet und Kultur sei, fremde Leute einzuladen usw. So fuhren wir zu einem Hotel. Beim Anmelden an der Rezeption wurden wir gefragt, ob wir verheiratet seien und eine Heiratsurkunde dabei haetten. Nein, wir sind nicht verheiratet. Und das bedeutet, dass wir kein Hotelzimmer bekommen koennen. Das ist wohl in der Türkei so. In den kleinen Staedten ist das ein Problem. In den Metropolen wohl nicht. Wir fanden das sehr lustig. Plötzlich tauchen Probleme auf, über die man nicht mal im Traum nachgedacht haette. Aber das war an dem Abend nicht unser Problem. Da musste sich Ertan, unser Gastgeber nun mit arrangieren. Er lud uns also in seine Wohnung ein. Ein Freund seines Sohnes konnte etwas englisch und so musste er den Abend und den Morgen ebenfalls bei der Familie verbringen. Auch er übernachtete dort, damit wir etwas besser kommunizieren konnten.
Es ist für uns einfach unbegreiflich. Warum tun die Menschen das hier? Warum wird man so heftig eingeladen, und das so völlig bedingungslos? Findet man das bei uns? Nein. Da sind die Menschen doch eher dann hilfsbereit, wenn sie selber einen Vorteil dadurch haben. Man ist auch nicht so grosszügig, man ist eher egoistisch. (Natürlich nicht pauschalisierbar!!) Wir hoffen, dass wir davon etwas mitnehmen koennen und vielleicht transpotieren wir auch durch diese Tagebucheintraege etwas von dieser Offenheit und Gutherzigkeit in unsere Welt.
 
Dieses Erlebnis ist kein Einzelfall. Gestern beim Einkaufen bekamen wir wieder Tee. Und dann stand ein Mann vor uns, der deutsch sprach. Er wurde extra gerufen, weil wir Deutsche sind. Er hat 30 Jahre in Deutschland gelebt und ist nun zurückgekehrt. Wir haben uns sofort sehr gut verstanden und natürlich hat auch er uns eingeladen. Wir sind diesmal aber in eine Unterkunft, wo früher die Karawanen der Seidenstrasse Halt machten. Er hat für uns den Preis runterhandeln können. Abends sind wir durch die Stadt gezogen und heute wollen wir mit ihm Fisch essen gehen. Wir sind so schnell so vertraut, als würden wir uns schon ewig kennen. Es ist sehr interessant mit ihm. 
 
Aber nun genug der Erzaehlungen über Gastfreundlichkeit. Bevor ich zum Ende komme, was es ja eigentlich gar nicht gibt, gibt es nun noch etwas für die Sensationslüsternen:
-Endlich Blut:
Wir haben uns ein neues Messer mit Wellenschlıff gekauft. Super gut zum Brotschneiden. Ich habe das Brot auf meinem Bein, schneide die erste Scheibe und ehe ich mich versehe habe ich das Messer im Bein. Natürlich habe ich das erst nicht geschnallt. Ich nahm das Brot weg und sah, dass ich durch die Tüte und durch die Radhose geschnitten habe. Unter der Radhose sah es dann aber so weiss aus und am Rande auch rot. Ich dachte in den bruchteilen der Sekunde noch darüber nach, ob meine Radhose mit rotweissem Stoff gefüttert sei. Aber das konnte nicht sein. Und dann wusste ich, dass ich mir so richtig ins Bein geschnitten habe. Tobias holte sofort unser Verbandzeug und ich hielt die etwa 2 cm lange klaffende Wunde zusammen. Tobias hat es desinfiziert und mit einem Klammerpflaster zugeklebt. Es hat aber nicht lange gedauert, da wurde mir auch schon komisch im Bauch. Ich bekam Schweıssausbrüche und wusste, dass ich gleich umkippe, wenn ich mich nicht lege. Ich kann mein eigenes Blut einfach nicht sehen. Da bin ich echt schlecht drin. Anderes Blut und Wunden sind kein Problem, aber mein eigenes geht gar nicht. Nun hoffe ich, dass es eine glatte und nicht so auffaellige Narbe gibt. Aber Narben erzaehlen Geschichten, deshalb scheiss auf Eitelkeit.
 
So, liebe Leute: Es gaebe natürlich noch mehr Erzaehlenswertes, wie das Treffen eines französischen Reiseradlers oder eines Schneiders, der Tobias' Hose umsonst flickte. Aber es soll nun genug sein. Die Fotos erzaehlen auch genug ohne Worte. Wir freuen uns immer sehr, wenn wir hören, dass die neuen Eintraeg und Fotos mit Spannung erwartet werden. Also, wir bemühen uns weiterhin, Internet zu finden und hoffen, dass auch euch die Freude und Ausdauer nicht vergeht.

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