An der Grenze lernten wir ganz neue Sitten kennen. Fuer den Ausreisestempel von Laos verlangten sie einen Dollar! Was soll das denn?
Fuer Kambodscha mussten wir, wie schon an den uebrigen Grenzen, eine Gesundheitserklaerung ausfuellen und wir bekamen Fieber gemessen. Auch sie verlangten einen Dollar! Dann kamen wir zur Visaabteilung, fuellten das Formular aus und bekamen das einmonatige Touristenvisum gegen 23 Dollar. Das ist ein guter Preis. Zu viel des guten war dann aber der letzte Dollar, den sie haeben wollten, als sie den Stempel in den Pass fuer die Einreise drueckten. Das ist offensichtliche Abzocke. Man bezahlt schon fuer das Visum! Aber dagegen kann man sich nicht wehren. Wir legten eine Strecke von 60 km zureuck, bis wir in den ersten Ort kamen. Es sah hinter der Grenze gleich ganz anders aus. Alles war viel trockener und die Vegetation am Strassenrand komplett abgebrannt. Es sah teilweise aus, als waere gerade der Krieg vorbei. Eben so zerstoert. Aber dieser Eindruck hielt nicht lange.
In Stung Treng, dem ersten Ort, ein kleines Staedtchen uebernachteten wir. Unser Plan fuer Kambodscha ist, durch den Norden nach Siem Reap zu fahren, um das grosse Weltkuturerbe, die Tempel von Angkor zu sehen. Die normale Strassenfuehrung verlaeuft weit runter in den Sueden, bis sie endlich ueber den Mekong nach Nordwesten zurueck fuehrt. Diesen Umweg auf der Hauptverkehrsstrasse wollten wir uns sparen und zogen eine kleine Strasse quer und direkt vor. Dazu mussten wir den Mekong mit einem Boot ueberqueren.
Wir fuhren zu einem Anleger und fragten mal wieder mit Haenden und Fuessen, ob wir auf die andere Seite gebracht werden koennten. Wir bekamen zu verstehen, dass wohl in 10 Minutewn ein Boot kommen wuerde. Dem war auch so. Es war eine Art Fischerboot. Eine einfache, etwas groessere Nussschale. Darauf waren 2 Motorraeder und drei Schweine. Es war unglaublich, das zu sehen. Fuer den Ruecktransport waren wir aber nicht die einzigen. Neben uns warteten noch 2 Motorraeder und ein weitere Passagier. Ich wusste gar nicht, wie das gehen sollte. Aber wir alle, insgesamt 8 Personen, 2 Motorraeder und 3 Fahrraeder voll bepackt auf einem Boot, vielleicht 6 Meter lang und 1,5 Meter breit, passten alle rein. Drueben angekommen trafen wir auf einen Englischlehrer. Ihn quetschten wir soweit es ging ueber unsere geplante Route aus. Er meinte auch, es sein kein Problem auf diesem Weg nach Siem Reap zu kommen, aber der Weg sei nicht immer gut.
Wir waren also guter Dinge und radelten los. Schnell wurde der Weg anstrengender. Immer wieder sandige Abschnitte, durch die es sich nur schwer fahren lies. Manchmal mussten wir schieben. Oder es gab tiefe Furchen, die einen mal ins Wanken brachte. Mittags kamen wir in ein Dorf, wo wir Reis mit Ruehrei bekamen. Wir fuellten unsere Wassertanks und entschlossen uns, weiterzufahren. Wir hatten 30 km geschafft, wofuer wir 3 Stunden gebraucht hatten. Aber wir dachten, viel schlechter kann der Weg nicht werden und in dem Tempo sollten wir in drei Tagen wieder auf einer Strasse ankommen.
Der Weg wurde nicht besser, aber auch nicht sehr viel schlechter. Die Vegetation um uns herum wurde mit der Zeit immer dichter. Am Abend hatten wir 50 km und erreichten ein Dorf mitten im Wald. Hier schlugen wir unser Zelt auf und wir hatten das Gefuehl, diese Menschen haben noch nie Touristen gesehen. Das Dorf ringte sich um uns und beobachtete, was wir so aus den Taschen holten und wie im Handumdrehen das Zelt aufgebaut war. Sie gingen gar nicht wieder weg und so kam es, dass wir eine kleine Zirkuseinlage brachten. Tobias war der Zirkusdirektor, Nicolas jonglierte und ich lief auf meinen Haenden. Ob sie es lustig fanden, wissen wir nicht. Sie zeigten wenig Reaktion, aber wir fanden es zumindest lustig.
Wir hatten noch Essensvorraete, die fuers Abendessen und das Fruehstueck reichten. Kekse haben wir auch immer genuegend in der Tasche, denn man weiss ja nie!
Wir fuhren am naechsten Morgen weiter und wussten, dass der naechste Ort 12 km weit sein sollte. Dort wollten wir dann Essen und Wasser auffuellen, denn es wartete laut Karte eine laengere Strecke ohne Ort auf uns. Wir planenten aber, am Abend dort anzukommen.
Die Strecke von 12 km war allerdings kein Zuckerschlecken. Der Weg wurde ein Pfad. Man konnte nur noch mit einem Zweirad hindurchfahren. Links und rechts nur noch dichter Wald. Aber wir konnten noch oben den Himmel und die Sonne sehen. Ganz so hoch war er noch nicht. Der Weg bestand aus heftigen Sandpisten, teilweise rutschigen lehmabschnitten oder verwurzeltem Boden. Es war ein Mix aus fahren, absteigen schieben, aufsteigen, fahren, absteigen,...
Fuer die 12 km brauchten wir 2,5 Stunden. Ich hatte mittlerweile meine erste Krise hinter mir. Ich wurde so wuetend, dass ich das Rad hinwarf und meinen Helm in den Sand pfefferte. Es war so aetzend anstrengend. Und ich sah die Wahrschenlichkeit schwinden, dass wir den folgenden Ort am Abend erreichen wuerden.
Im Ort fragten wir die Bewohner nach Reis und filterten unsere Flaschen voll mit Wasser. Einen weiteren Vorrat im Wassersack nahmen wir auch mit. Bei der Frage nach dem naechsten Ort wurde es schwierig. Das Dorf kannten sie wohl nicht oder unsere Aussprache war mal wiede falsch, was nicht verwunderlich ist. Lesen koennen die Meschen hier unsere lateinischen Buchstaben selten. Mitten im Busch jedenfalls nicht. Kambodscha hat eigene Schriftzeichen, wie Laos und Thailand auch. Wir fragten nach der naechsten Stadt auf der Hauptstrasse, die wir erreichen wollten. Eine Zeichnung auf dem Sand half uns zu verstehen, dass wir am naechsten Abzweig links mussten.
Wir wagten uns weiter und der Pfad wurde enger, der Wald dichter und uns war klar, wir sind nun mitten im Dschungel von Kambodscha. Bald schlossen sich die Baumkronen ueber uns, links und rechts konnte man nicht mehr weit gucken. Alles war gruen und dicht verwachsen. Nach dem ersten Abzweig, wo wir links mussten, kam ein weiterer. Wir standen eine Weile ratlos da. Wo muessen wir lang? Welcher Weg fuehrt in welche Himmelsrichtung?
Und dann kam ein Mopedfahrer. Wir fragten ihn nach der Stadt und er wies uns den Weg. Wir verstanden, dass er auch dort hin wollte und glaubten zu verstehen, dass er mit dem Moped 10 Stunden braucht.
Wir fuhren weiter und kamen Mittags auf eine Lichtung. Trockene geerntete Reisfelder und eine einsame Huette. Nach einer kleinen Reispause ging es weiter. Die Stimmung war gemischt. Ich war definitiv von dieser Piste genervt. Ich fande es unglaublich anstrengend und hatte keine Energie mehr. Tobias war recht gelassen und Nicolas sagte nicht viel.
Wir fuhren weiter und verloren dann die Spur des Mopedfahrers. Der Weg endete in einem Sumpfgebiet. Tobias ging voraus und fand den Weg wieder. Wir manoevrierten die Raeder durch die Wasserflaechen, schoben ein wenig den Weg weiter und mussten festtellen, dass das nicht stimmen konnte. Der Pfad war zu unbenutzt. Es lag zu viel Laub und die Mopedspur war nicht da. Wir kehrten um und fragten bei der Huette nach. Der Mann war so lieb und zeigte uns den Abzweig. Und tatsaechlich, da war wieder die Mopedspur. Aber der Abzweig war so unersichtlich, weil so viel Gestruepp herumlag, dass wir ihn nicht wahrgenommen haetten.
Wir ueberlegten nun, was wir machen sollten. Wir waren definitiv nicht mehr auf dem Weg, der in unserer Karte existierte. Wir fuhren suedlich statt westlich. Vermutlich war es eine Abkuerzung in die Stadt, aber wir wussten nicht, was kommen wuerde. Weder wie der Weg werden wuerde, noch wann ein Dorf fuer Wasser und Reisnachschub kommen wuerde. Alles was wir wussten war, dass der Mopedfahrer dort lang gefahren ist, um noch am selben Tag anzukommen.
Nicolas wollte umkehren, Tobias wollte weiter und ich hatte weder Kraft fuers Umkehren noch fuers Weiterfahren. Fahren war auch zu viel gesagt. Der Weg war ein Zustand, fuers Fahrrad nicht geeignet. Wir waren schon 1,5 Tage unterwegs, wo wir mehr schieben mussten als fahren konnten. Wir wussten, was zureuckliegt. Wenn wir umkehren, heisst das, alles noch mal durchzustehen, um dann in Stung Treng wieder anzukommen, um dann den grossen Umweg auf der Asphaltstrasse zu nehmen.
Die Vortstellung umzukehren, zu wissen, was fuer Sandpisten warten, hat mir jegliche Kraft und Motivation geraubt. Das konnte ich gar nicht.
Nach langem hin und her entschlossen wir uns weiterzufahren, in der Hoffnung, dass der Weg nicht schlechter wuerde und wir bald auf einen besseren treffen wuerden.
Und es kam so, dass wir ab da wieder mehr fahren konnten als schieben mussten. Und das ganze wurde wieder zu einem Abendteuer. Wir sahen Handflaechengrosse Spinnen im Netz haengen, was nicht ganz so lustig war. Wir hoerten Voegel schreien, die ich nur aus dem Tropenhaus in Hannover und Frankfurt kenne. Wir hoerten es in den hohen Baumkronen rascheln und schreien und Tobias bekam einen Affen zu Gesicht. Es war der pure Urwald. Nur wir und der Wald mit all seinen Tieren. Vor uns zog sich sogar eine Schlange ins Gebuesch.
So aufregend und spannend es wurde, so anstrengend blieb der Weg. Wir ueberquerten kleine Fluesse auf wenigen darueber gelegten Holzstaemmen. Schoben die Raeder durch Wasser, wenn es keine "Bruecke" gab, ueberwunden Schlammloecher und Wurzelpisten. Oft war ein Baum umgestuerzt und blockierte den Weg. Dann gab es einen Pfad mit einer Machete durch das Gestruepp geschlagen.
An jedem kleinen Abzweig guckten wir genau, wo der Mopedfahrer langgefahren ist. Tobias wurde zu unserem Spurenleser.
Wir fuhren und fuhren, aber erreichten kein Dorf. Um 17.30 kamen wir an eine etwas groessere Flaeche ohne Baeume. Das war unser Zeltplatz. Denn um 18.00 wird es dunkel. Aber das Zelten brachte wenig Freude. Es war so schwuel, wir waren klatsch nass. Ich habe noch nie mein T-shirt voellig nass geschwitzt. Im Zelt sassen wir auf unseren Handtuechern und Tobias meinte: "Woran erinnert dich das?" Und schnell war klar, dass wir so schon oft in der Sauna sassen. Und wir fuehlten uns wirklich so. Der Schweiss lief uns herunter. Wir fragten uns nur, wo die kalte Dusche und das Schwimmbecken waren?
Nach einer Weile kuehlte es sich etwas ab und wir konnten irgendwann schlafen.
Wir hatten morgens noch immer ein klein wenig Reis ueber. Aber eigentlich auch nur, weil wir am Abend etwas uebergelassen hatten. Wir wussten ja nicht, wann wir ein Dorf finden wuerden. Wasser hatte auch jeder noch etwas. Zeitig fuhren wir weiter und beim ersten kleinen Bach filterten wir etwas Wasser. Eine Sorge weniger.
Und dann wenig spaeter trafen wir auf entgegenkommende Mopedfahrer. Wir fragten sie nach der Stadt und dem naechsten Ort. Sie meinten, es seien noch 10 zum naechsten Ort. Wir waren alle sichtlich erleichtert. Das hiess, Essen, Wasser und vielleicht bald eine bessere Strasse.
Voller Freude ging es weiter. Wir hatten alle wieder viel Energie. Nach 10 km kam aber kein Ort.
Aber viel besser: Ploetzlich traf unser Pfad auf eine breite Strasse. Kein Asphalt, aber breit, eben und befestigt! Wir jubelten, wir hatten den Dschungel geschafft. Und schon kam ein Jeap. Die Maenner sprachen englisch. Sie schaetzten, dass nach 5 km ein Ort kommen wurde. "5 km auf solch einer Strasse sind ja ein Witz. Das schaffen wir doch im Handumdrehen."
Nach 10 km kam dann auch wirklich das Dorf. Aber ob 5 oder 10 das machte kaum einen Unterschied. Wir bekamen Reis und es gab einen Brunnen. Wir waren verdammt hungrig. Denn die Reisportion, die wir hatten, war eigentlich eine grosse Portion fuer 2 Personn. Wir teilten sie in drei Mahlzeiten. Dank Keksen war es aber ok.
Wir waren zurueck in der Zivilisation. Ab nun tauchte wieder ein Dorf nach dem anderen auf und unsere Reisegeschwindigkeit normalisierte sich wieder.
Und nun sind wir in Kampong Thom, der Stadt vor Siem Reap, den Tempeln von Angkor. Hier regenerieren wir uns, machen alles wieder sauber, vor allen Dingen die Raeder brauchen pflege nach diesem Ritt. Und nicht zuletzt braucht es Zeit, das Dschungelerlebnis zu verarbeiten! |
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